Fragen kostet doch nichts – wer hat diesen Satz als Kind auch gehasst? Jedes Intro-Kind, wie ich eines war, wird sich sicher an diesen Satz erinnern und bei der Erinnerung zurückreisen und demjenigen, der diesen Satz losgelassen hat, spontan eine reinhauen, weil solche Sprüche bei Introvertierten genauso viel bringen wie Sätze à la „Nun sei doch nicht so schüchtern!“ Na danke auch für den Tipp, auf die Idee wäre ich selber noch gar nicht gekommen. Aber bevor ich jetzt zu sehr ausschweife und über die Probleme von introvertierten Menschen in einer extravertierten Welt spreche (was ich definitiv noch tun werde!), möchte ich verraten, worum es eigentlich geht: Ich habe ein supergeiles Interview bekommen, von dem alle dachten, es sei verdammt unrealistisch, sich da etwas zu erhoffen.
Und zwar habe ich letzte Woche gefragt, wie realistisch es sei, ein Interview mit Nathan Trent zu bekommen – wer am Samstag fleißig den Song Contest geschaut hat, weiß, wer das ist. Für den Rest: Den lieben Kerl haben wir Österreicher zum diesjährigen ESC geschickt. Nur, falls das aus dem vorherigen Satz nicht hervorgegangen ist. Jedenfalls wurden meine Chancen auf ein Interview nach dem Finale am Samstag, das am Montag fertig sein sollte, relativ gering eingeschätzt. Ich habe mich entschieden, es dennoch zu versuchen, habe in der Nacht des großen Finales die Punktevergabe abgewartet und mich dann sofort an den Rechner gesetzt, eine nette Mail geschrieben und pünktlich am Montag um 9 Uhr waren meine Antworten da. Und ich habe einen ziemlich großen Platz in der Zeitung dafür bekommen. Einfach nur geil. Was lernen wir daraus? Unsere Lehrer, Eltern und ungeliebten Verwandten hatten doch irgendwo Recht: Fragen kostet tatsächlich nichts. Da sich aber viele unsicher sind, beziehungsweise, weil mich unter anderem meine Freundin Kathi gefragt hat, wie man denn so eine Interviewanfrage stellt, habe ich mir gedacht, ich versuche es mal mit etwas Mehrwert auf dem Blog und gebe hier ein paar Tipps dazu. Wie immer erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Bissl Hintergrundrecherche am Anfang
Ihr habt also das Objekt eurer Begierde für eure nächste Story gefunden. Jetzt geht es darum, ein gutes Anschreiben zu verfassen. Und hier komme ich zu meinem Lieblingsteil: Das Vorab-Stalken. Wer mich kennt, weiß, dass ich nichts lieber mache, als die Facebookprofile meiner Bekannten und deren Freunde zu analysieren, damit ich weiß, wie das alles so zusammenhängt und wie sich der Kreis schließt. Ja, das ist gruslig, aber es hilft bei so etwas ungemein. Es fängt nämlich schon bei der Anrede an, schwierig zu werden. Ich persönlich habe Nathan, der gerade mal drei Jahre älter ist als ich, mit Du angeschrieben. Hat gut gepasst. Bei älteren Menschen hätte ich lieber die Höflichkeitsvariante gewählt. Das ist aber nur die erste Hürde. Dann geht’s natürlich um die Fragen selbst, denn ich traue mich zu sagen, dass ihr viele Antworten eventuell schon im Netz finden könnt und euch Zeit spart, wenn ihr die Antworten vorab habt. Außerdem kann man dann gleich ein bisschen weiter nachhaken. Recherche ist also immer gscheid. Muss man übrigens auch betreiben, um Kontaktmöglichkeiten herauszufinden. Aber das dürfte klar sein. Ohne Kontakt, kein Interview. Simple as that.
Telefon, persönlich oder Mail?
Theoretisch ist alles möglich, es kommt nur immer auf die Umstände an, was gerade am besten ist. In der Regel ist es am einfachsten, eine Mailadresse ausfindig zu machen, weshalb das meine liebste Form der Kontaktaufnahme ist. In die schreib ich dann meist auch meine Handynummer rein, weil manche einfach lieber telefonieren. Aber E-Mail hat für mich einen großen Vorteil: Man hat danach wirklich wörtliche Zitate, die man auch im Falle einer eventuellen Beschwerde vorzeigen kann. Dafür hat man am Telefon oder persönlich die Chance, pikante Details zu erfahren, wenn sich jemand verplappert 😉
Vorstellen und Infos geben
Wenn euch jemand Fremdes plötzlich mit Fragen bombardiert, ist euch das unangenehm? So geht es auch den meisten anderen Menschen. Also der erste Satz nach der Anrede sollte eine kurze Vorstellung von euch sein. Wer seid ihr, für wen schreibt ihr, worüber schreibt ihr, wofür wird das Material verwendet und warum wäre es interessant für beide Parteien, wenn dir dein Gesprächspartner jetzt ein Interview geben würde? Beantwortet diese Fragen gleich im ersten Satz, dann wird eure Nachricht ernstgenommen und ihr wirkt nicht wie ein seltsamer Freak. Seltsamen Freaks gibt niemand gerne Interviews.
Die richtigen Fragen
In meinem Fall habe ich es mir leicht gemacht und mir während der Finalshow gleich ein paar Fragen überlegt. Vor allem die 0 Punkte von den Zuschauern liefern guten Fragestoff. Ein bisschen Recherchearbeit vorab und den meisten Menschen mit ein wenig Neugier fallen gleich ganz viele Sachen ein, die man fragen könnte. Wichtig ist nur: Vermeidet Ja-Nein-Fragen, vor allem, wenn ihr über Mail kommuniziert! Am Telefon könnt ihr noch nachfragen, aber per Mail ist das einfach nur lästig, vor allem, wenn die Zeit drängt. Wenn ihr Politikern, Musikern oder anderen Medienprofis eine solche Frage stellt, ist das weniger problematisch, weil die liefern einem eigentlich immer mindestens zwei Zeilen Text. Aber bei Leuten, die wenig Erfahrung im Umgang mit Medien haben, lauft ihr so Gefahr, dass ihr wirklich nur „Ja“ oder „Nein“ als Antwort bekommt. Ist mir alles schon passiert, ich habe daraus gelernt. Anstatt zu fragen, ob die Tomatenernte dieses Jahr gut war, fragt ihr besser einfach, wie gut die Tomatenernte denn war. So bekommt ihr in der Regel echt bessere Antworten.
Lächeln nicht vergessen!
Gut, es bringt wahrscheinlich eher wenig, wenn ihr grinsend wie ein Honigkuchenpferd vor dem Rechner sitzt, während ihr auf Senden klickt, aber vergesst bitte nicht auf ein gesundes Maß an Höflichkeit. Schließlich wollt ihr ja etwas von den Menschen. Aber werdet dabei nicht unterwürfig. Das ist gerade am Anfang eine schmale Gratwanderung, aber irgendwann weiß man seine Höflichkeit zu dosieren. Im Zweifel einfach jemanden drüberlesen lassen.
Also, selbst wenn es noch so unrealistisch erscheinen mag: Traut euch, um ein Interview zu fragen. Selbst, wenn ihr nicht bei einer Zeitung schreibt, sondern einfach „nur“ bloggt, kann das total hilfreich sein und euch coolen Content liefern. Und mehr als ignorieren können die anderen eure Anfragen nicht, also haut in die Tasten, vielleicht werdet ihr ja positiv überrascht!
Eure Julie,
Die mit dem roten Lippenstift
P.S.: Wen der Artikel interessiert, kann ihn gerne hier lesen!
derhilden
• 7 Jahren agoSchöner Bwitrag! 😀 Hat mich jetzt auch auf die Idee gebracht, mal ein paar interessante Leute um ein Interview zu beten. Mal sehen, ob sich jemand in meinem eher wenig frequentierten Blog verewigen will. :’D
btw, „gscheid“ ist ein tolles Wort! 😀 Auch wenn ich wahrscheinlich seltsam dafür angeguckt werden würde, sollte ich es benutzen.
Julie
• 7 Jahren agoDanke lieber Sebastian 🙂 Ich hoffe, du kannst was Interessantes an Land ziehen!
Und wenn du das Wort bei uns verwendest, dann wirst du dafür auch nicht blöd angeguckt 😉
Michael Seiler
• 7 Jahren agoSchöner Beitrag! Hab bei Interviewanfragen vor allem dann gute Erfahrungen gemacht, wenn man die Künstler an der Strippe hat. Wenn die Herrschaften sich ein Management halten muss man schon wichtig klingen um wahrgenommen zu werden 😉
Julie
• 7 Jahren agoJa, das stimmt 😀 Die Künstler selbst sind da meist erfreuter 😉
LG Julie