Wer mich auf Instagram verfolgt, wird sich vielleicht in den letzten Tagen das eine oder andere Mal gefragt haben, ob ich unauffällig gestorben bin. Zumindest habe ich die eine oder andere Nachricht in diese Richtung erhalten. Aber nein, ich bin quicklebendig, ich habe nur etwas für mich sehr Untypisches getan und tatsächlich mal das Handy ein paar Tage komplett abgedreht. Und es war herrlich. Fühle mich absolut bereit für eine Ayurveda-Yoga-Reise nach Indien, nach der ich braun gebrannt zurückkommen und allen erzählen werde, welche Belastung Handys eigentlich darstellen. Vermisst habe ich mein Handy während unseres Aufenthalts in der Therme jedenfalls gar nicht. Dafür habe ich einige Erkenntnisse über Wellnessurlaube gewonnen:
1. In Wellnesshotels gehörst du als durchschnittlich attraktiver Mensch optisch gesehen immer zu den oberen 10-20 Prozent. Denn die meisten Menschen, die ein Thermenwochenende machen, sind Rentner und Pärchen, die so im Pärchenmodus aufgehen (im doppeldeutigen Sinne), dass sie sich komplett gehen lassen und sich nicht mehr die Achselhaare rasieren. Von anderen Körperpartien ganz zu schweigen.
2. Wo wir schon bei alten Menschen sind: Auf Wellnessurlauben sieht man, gerade in der Sauna, sehr viel Schenkelinnenseite von Pensionisten.
3. Thema Sauna. Hier gilt obendrein die Faustregel: Die Menschen, die man am wenigsten nackt sehen will, sind die, die immer am längsten und ungeniertesten im Adams- und Evakostüm herumstehen.
4. Das präsenteste Gesprächsthema zwischen Familien und Pärchen in der Sauna ist, wenig überraschend, das Essen. Acht von zehn belauschte Gespräche drehten sich darum, was es am vorigen Tag zu essen gab oder was es wohl am Abend geben würde. Essen ist im Wellnesshotel das, was auf Partys das Wetter ist.
5. Wo wir schon beim Thema Essen sind: Bulimiker haben bei Buffets einen gewaltigen Vorteil.
6. Nach diesem geschmacklosen Scherz (geschmacklos, hihi) spannen wir den Bogen zurück zum Thema Saunagespräche. Bevor man ein Gespräch über Hämorrhoiden oder Intimwaxings mit seiner Begleitperson beginnt, sollte man immer doppelt und dreifach abchecken, ob man wirklich alleine ist. Glaubt mir, für diesen Tipp gibt es einen guten Grund.
7. Es gibt immer Menschen, die das Konzept eines Ruheraums nichts verstehen und sich darin in einer Lautstärke unterhalten, als müsste man sie ohne elektronische Verstärkung von Fürstenfeld bis nach Graz hören. Besonders unterhaltsam ist es, wenn jemand ohne jedes Schamgefühl „Ich schwitze wie ein Schwein!“ durch den gesamten Raum brüllt.
8. Thema Schamgefühl. Das ist in Wellnesshotels bei vielen erstaunlich wenig präsent. Vor allem in Gruppen rüstiger Rentner, die noch einmal so richtig auf den Putz hauen wollen, bevor sie mit dem 71er fahren. Da wird schon mal um zehn Uhr morgens in der Sauna die erste Halbe getrunken und der Pegel wird über den Tag konstant aufrechterhalten. Das geht dann einher mit extrem lauten Ruheraumgesprächen und fast schon ekstatischer Freude, wenn junge Menschen (also alle unter 50) vorbeilaufen. Und Zusatzerkenntnis zu diesem Punkt: In jeder unangenehmen Rentnergruppe gibt es mindestens einen Herrn, der Pepi heißt. Und das ist meist auch der unangenehmste.
9. Generell kann man festhalten, dass der Altersdurchschnitt in Wellnesshotels bei flotten 60 Jahren liegt.
10. Wenn man den ganzen Tag kaum etwas isst, fährt der Aperol Spritz am Abend besonders gut ein und man ist schnell auf einem lustigen Pegel, an dem man Witze wie „Was kann man in der Vorlesung und auf der Autobahn sagen? – Das ist alles längst überholt“ reißen und tatsächlich darüber lachen kann.
Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Bericht einen Einblick geben, was in so einem Thermenurlaub stattfindet. Mittlerweile bin ich wieder in Wien angekommen und wurde direkt in der S-Bahn mit einer Obdachlosen konfrontiert, die einen Pissgeruch von etwa dreißig Festival-Dixiklos mit sich zog. Ein harter Kontrast, wenn man gerade in einem Hotel war, in dem es sogar auf den Klos im Thermenbereich so gut riecht, dass man sich durchaus einen Liegestuhl dort aufstellen würde. Aber zumindest geht einem so nicht der Bezug zur Realität verloren.
Eure Julie,
Die mit dem roten Lippenstift
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